Ein heisser Herbst hat begonnen: Unabhängigkeitsbefürworterinnen an einer Demonstration in Barcelona. (Bild: David Borrat / EPA)

Ein heisser Herbst hat begonnen: Unabhängigkeitsbefürworterinnen an einer Demonstration in Barcelona. (Bild: David Borrat / EPA)

Immer wieder Katalonien: Die Unabhängigkeitsfrage prägt den spanischen Wahlkampf

Einen Monat vor der Neuwahl in Spanien wird die Rhetorik schärfer. Im Zentrum steht abermals Katalonien. Die Verhaftung mehrerer Separatisten wirft Fragen auf.

Ute Müller, Madrid
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Die Richter am Obersten Spanischen Gerichtshof werden in den nächsten Tagen das Strafmass gegen zwölf katalanische Politiker und Bürgerrechtler verkünden. Die Angeklagten waren an der Durchführung des illegalen Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober 2017 beteiligt gewesen. Das Urteil wird in Spanien mit Spannung erwartet und dürfte die politischen Spannungen weiter verschärfen. Vieles deutet darauf hin, dass die seit fast zwei Jahren in Untersuchungshaft sitzenden Angeklagten zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt werden.

Ein heisser Herbst ist somit vorprogrammiert. Katalanische Gewerkschaften, die einen Freispruch für die «politischen Gefangenen» fordern, haben bereits zum Generalstreik am 11. Oktober aufgerufen. Eine Plattform, die sich «demokratischer Tsunami» nennt, hat zudem an die Bürgerinnen und Bürger appelliert, nach der Bekanntgabe des Urteilsspruchs sofort zu protestieren. Auch die sogenannten Komitees zur Verteidigung der Republik (CDR), die vor zwei Jahren gegründet wurden, um bei der Durchführung des Referendums zu helfen, haben sich zu Wort gemeldet. Man wolle den Feind das Fürchten lehren, hiess es auf ihrem Twitter-Account.

Sánchez droht den Katalanen

Die CDR, lose Zusammenschlüsse von Unabhängigkeitsbefürwortern, hatten bisher eher mit Blockaden und Strassensperren auf sich aufmerksam gemacht. Nun wollen Ermittler in Madrid aber herausgefunden haben, dass die CDR auch zu radikaleren Aktionen bereit seien. Ende September liess ein Richter mehrere ihrer Mitglieder festnehmen. Der Vorwurf: Sie hätten eine terroristische Vereinigung gebildet. In abgehörten Telefongesprächen soll von einer möglichen Besetzung des katalanischen Parlaments, von der Sperrung von Autobahnen und der Sprengung von Mobilfunkantennen die Rede gewesen sein.

Angesichts der Aufregung in Katalonien hat Spaniens amtierender Ministerpräsident Pedro Sánchez seinen Kurs geändert. Einst äusserte er Verständnis für den Wunsch vieler Katalanen nach mehr Selbstbestimmung und zeigte sich verhandlungsbereit. Nun droht er damit, die Region mit Hilfe des Artikels 155 der spanischen Verfassung unter Zwangsverwaltung zu stellen. Dasselbe hatte schon sein konservativer Vorgänger Mariano Rajoy getan.

Sánchez steht unter Druck, weil am 10. November wieder ein neues Parlament gewählt wird. Das gegnerische konservative Lager legt ihm jeden Hinweis auf einen möglichen Dialog als Schwäche aus und spricht von «Verrat an Spanien». Die konservativen Parteien überbieten sich gegenseitig mit Vorschlägen zu einer härteren Gangart gegenüber Katalonien.

Puigdemont fürchtet neuen Haftbefehl

Albert Rivera, der ehrgeizige Vorsitzende der rechtsliberalen Partei Ciudadanos, ist bereits vorgeprescht. Er liess seine Partei im katalanischen Parlament einen Misstrauensantrag gegen die Regierung von Quim Torra stellen. Die Begründung: Torra arbeite mit den radikalen Unabhängigkeitsbefürwortern zusammen. Über den Antrag wird am Montag abgestimmt. Er ist jedoch zum Scheitern verurteilt, weil Ciudadanos zusammen mit ihrem Verbündeten, dem konservativen Partido Popular, nur 40 der 135 Abgeordneten in Katalonien stellt.

Torra hat die Vorwürfe von Ciudadanos zurückgewiesen. Er könne die Gewalt der Separatisten nicht verurteilen, weil diese noch nie zu Gewalt gegriffen hätten, sagte er. Auch sein Mentor und Vorgänger Carles Puigdemont distanzierte sich im belgischen Exil von möglicher Gewaltanwendung auf dem Weg zur Republik. Die Ermittler hatten Puigdemont zuvor Verbindungen zu den verhafteten Aktivisten nachgesagt. Der frühere katalanische Ministerpräsident bestritt, die Beschuldigten gekannt zu haben. Er warf den Madrider Ermittlern vor, die Unabhängigkeitsbewegung zu kriminalisieren, um einen neuen europäischen Haftbefehl gegen seine Person zu erwirken.

Distanziert sich von Gewaltanwendung: der frühere katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont. Hier auf einem Transparent, das Unabhängigkeitsbefürworter bei einer Demonstration in Barcelona präsentieren. (Bild: Quique Garcia / EPA)

Distanziert sich von Gewaltanwendung: der frühere katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont. Hier auf einem Transparent, das Unabhängigkeitsbefürworter bei einer Demonstration in Barcelona präsentieren. (Bild: Quique Garcia / EPA)