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Streit um Separatistin in Genf Die Schweiz erzürnt die spanische Justiz

Die spanische Justiz will ihre Genfer Adresse: Marta Rovira von der katalanischen Separatistenpartei ERC.

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Für viele in Katalonien ist sie eine Heldin, für spanische Nationalisten eine Kriminelle: Marta Rovira, die Generalsekretärin der katalanischen Partei ERC. Die 47-Jährige fordert ein Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens, das in der Verfassung Spaniens aber nicht vorgesehen ist

2018 flüchtete Rovira nach Genf. Die spanische Justiz lässt Rovira mit einem internationalen Haftbefehl suchen und setzt alles daran, dass die Separatistin ausgeliefert wird. Die Strafverfolger in Madrid verdächtigen Rovira, eine Drahtzieherin der anonymen Organisation «Tsunami Democratic» (demokratischer Tsunami) zu sein.

Diese hatte 2019 massive Strassenproteste organisiert, unter anderem am Flughafen in Barcelona. Hunderte Demonstrierende blockierten damals die Zugänge, besetzten den Tower und randalierten teils auf dem Gelände. An diesem Tag starb auch ein französischer Tourist an einer Herzattacke, gemäss einem lokalen Gericht war das aber nicht die direkte Folge des Protestes. 

Schwere Proteste am Flughafen El Prat in Barcelona (14. Oktober 2019).

Für die spanische Justiz ist die Besetzung des Flughafens und auch die Organisation diverser Strassenproteste ein terroristischer Akt. Beteiligte hätten Sturmhauben getragen und Gegenstände wie Feuerlöscher und Aluminiumbleche auf Sicherheitskräfte geschleudert, wird argumentiert. 

Die meisten unabhängigen Juristen sehen das anders: Es gebe nicht genügend Indizien für eine Terrorismus-Anklage. Die katalanische Seite spricht von einem rein politischen Verfahren. Tatsächlich hat sich «Tsunami Democratic» immer zum gewaltlosen Protest bekannt. Und die vermutete Drahtzieherin Marta Rovira? War während der schweren Ausschreitungen in Genf.

Ein brisanter Briefwechsel

Diese Redaktion hat einen Briefwechsel zwischen der spanischen Justiz und dem Bundesamt für Justiz (BJ) von SP-Bundesrat Beat Jans eingesehen. Dieser zeigt, wie die Schweiz an der Arbeit der spanischen Justiz zweifelt. Und wie Spanien über das Schweizer Vorgehen erzürnt ist. 

Am 21. November schickte der spanische Richter Manuel García-Castellón ein Rechtshilfegesuch nach Bern. Er verlangte Informationen über ein Genfer Bankkonto und den Aufenthaltsort von Marta Rovira in der Rhonestadt. 

Bevor man antworte, schreibt das Bundesamt für Justiz am 21. Dezember, habe man einige Fragen. Die Beamten in Bern wollen wissen, inwiefern Marta Rovira an den gewalttätigen Ausschreitungen beteiligt war. Und ob es sich bei «Tsunami Democratic» nicht um eine politische Organisation handle.

Bundesamt fühlt sich nicht zuständig

Für die Herausgabe von Roviras Adresse fühlt sich das Bundesamt für Justiz nicht zuständig. Weiter solle die spanische Seite doch bitte darlegen, inwiefern das geplante Amnestiegesetz die Ermittlungen beeinflusse. Dieses verspricht all jenen Straffreiheit, die vor fast sieben Jahren an der illegalen Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Kataloniens beteiligt waren.

Die vorgebrachten Punkte zeigen, dass die Schweiz die spanische Justiz zumindest verdächtigt, ein politisch motiviertes Verfahren zu führen. Kommt die Schweiz final zu diesem Schluss, kann sie der spanischen Justiz die Unterstützung verweigern. So ist es im Rechtshilfegesetz geregelt.

Erzürnter Strafverfolger: Manuel García-Castellón hat dem Bundesamt für Justiz ein wütendes Schreiben geschickt.

Richter García-Castellón ist über die Schweizer Antwort empört. Weil Rovira wegen Terrorismus angeklagt sei, müsse die Schweiz kooperieren, schreibt er in seiner Antwort an das Bundesamt für Justiz vom 21. Februar. Dass die Schweiz ein von ihm angeregtes Treffen der Behörden beider Länder ignoriere, sei «besonders seltsam, angesichts des gegenseitigen Vertrauens, das die Zusammenarbeit der Staaten normalerweise auszeichnet».

Kein Verständnis hat er für die Schweizer Fragen zum Amnestiegesetz. Es sei nicht Aufgabe der Justiz, politische Prozesse zu kommentieren. «Das ist zweifellos auch in der Schweiz der Fall», schreibt der Richter maliziös – und wundert sich, wieso sich die Schweizer Beamten auffällig für eine Frage «von eminent politischer Natur interessieren».

Politisch motivierte Anklage?

Tatsächlich ist das Amnestiegesetz für den Fall Rovira relevant. Schliesslich würde es auch die Katalanin vor der Strafverfolgung schützen – allerdings nicht beim Straftatbestand Terrorismus, der von der Amnestie ausgenommen ist. Der Verdacht, García-Castellón klage Rovira wegen Terrorismus an, um das Amnestiegesetz zu umgehen, ist naheliegend. Vergangene Woche hat das spanische Unterhaus das Amnestiegesetz gebilligt. Es könnte bereits Ende Mai in Kraft treten. (Lesen Sie hier, wie spanische Nationalisten in Massen gegen das Gesetz protestieren.)

Auch in den spanischen Medien hat das Schreiben aus Bern für grosse Aufregung gesorgt. Auf der Titelseite berichtete etwa «El País», die Schweiz habe Zweifel über García-Castellóns Untersuchung. Mehrere spanische Medien schreiben, die Schweiz habe das Rechtshilfegesuch bereits abgelehnt, was allerdings nicht korrekt ist. 

Dass die spanischen Medien über seine Ermittlungen schreiben, passt Richter García-Castellón offensichtlich nicht. Er hat nun eine Untersuchung eingeleitet, um herauszufinden, wie das Schweizer Schreiben an die spanischen Medien gelangen konnte.

Marta Roviras Genfer Anwalt Jean-Marc Carnicé will sich auf Anfrage nicht über den Fall äussern. Beim Bundesamt für Justiz lässt man einen detaillierten Fragekatalog unbeantwortet und bestätigt lediglich, dass man in dieser Sache ein Rechtshilfeersuchen erhalten habe, das derzeit geprüft werde. Über den Zeitpunkt des Entscheids mache man keine Angaben.