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Verhaftung von Pablo Hasél Wie spanische Richter gegen Künstler vorgehen

Der 1988 geborene Musiker Pablo Rivadulla Duró
Der 1988 geborene Musiker Pablo Rivadulla Duró, der sich Pablo Hasél nennt und am Dienstag seine Gefängnisstrafe antreten musste.
© J. Martin / AFP
Spanien hat den Rapper Pablo Hasél hinter Gitter gesperrt und damit ein weiteres Beispiel geliefert, wie Richter gegen kritische Künstler, Musiker und Politiker vorgehen. Ist das Recht auf freie Meinungsäußerung in dem EU-Land in Gefahr?

Am Dienstagmorgen dringen Polizisten in schwerer Montur in die Universität von Lleida ein. Sie sind auf der Suche nach Pablo Hasél, der sich in einem Gebäude auf dem Campus verbarrikadiert hat. Was auf Bildern wie die Verhaftung eines Schwerverbrechers aussieht, ist die Festnahme eines Musikers, der eine Gefängnisstrafe antreten muss.

Mit 20 Mannschaftswagen waren die Polizeikräfte vorgefahren, um den Rapper, der kein Blatt vor den Mund nimmt, dingfest zu machen. "Tod dem faschistischen Staat", rief der 32-jährige Katalane mit erhobener Faust, als er in Polizeigewahrsam genommen wurde. Am Freitag war die Frist abgelaufen, bis zu der er eine Haftstrafe aus freien Stücken antreten sollte.

Zuvor war der Rapper vom Nationalen Gerichtshof in Madrid für drei Vergehen zu Geld- und Haftstrafen verurteilt worden: wegen Beleidigung staatlicher Institutionen, der Verherrlichung des Terrorismus und wegen der Beleidigung des spanischen Königshauses. Gegen das Urteil hatte er vergeblich Berufung eingelegt.

In seinen zum Teil sehr platten Liedtexten und auf Twitter hatte Hasél schon vor Jahren den spanischen König Juan Carlos I einen "Dieb" und "Mafiosi" genannt und die Monarchie in Frage gestellt. Eine Aussage, die sich später nicht als Falschbehauptung herausstellen sollte: Ex-König Juan Carlos musste das Land im August vergangenen Jahres wegen Korruptionsvorwürfen verlassen. Während er in Abu Dhabi weilt, wird gegen den Bourbonen in Madrid wegen Steuerhinterziehung und in Genf wegen Geldwäsche ermittelt.

Spanien auf einer Stufe wie China oder der Iran?

Laut kritischen Stimmen führt die Causa Hasél deutlich vor, dass die freie Meinungsäußerung in der spanischen Demokratie nicht gesichert ist. Bereits 2015 hat die Menschenrechtsorganisation der Uno Spanien kritisiert, weil unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung Grundrechte in Gefahr seien.

Grafik aus dem "The State of Artistic Freedom 2020 Report"
Grafik aus dem "The State of Artistic Freedom 2020 Report"
© Freemuse

"Die übermäßige Anwendung der Antiterrorgesetzgebung bedroht die Meinungsfreiheit", sagt Dunja Mijatovic, Menschenrechtskommissarin des Europarates. Freemuse, eine Organisation, die weltweit über die Rechte von Künstlern wacht, geht sogar noch einen Schritt weiter und stellt Spanien in eine Reihe mit Ländern wie die Türkei, Myanmar oder den Iran. In dem Bericht "The State of Artistic Freedom 2020" führt Spanien die Liste mit inhaftierten Künstlern an.

Pablo Hasél ist in Spanien kein Einzelfall

"Allein zwischen 2015 und 2017 kam es auf Grundlage dieses Gesetzes zu 84 Verurteilungen", schreibt Amnesty International. "Und das, obwohl die letzte bewaffnete Organisation, die baskische Separatistengruppe Eta, bereits 2011 endgültig die Waffen ruhen ließ."

Die Aufzählung der Musiker, die mit ihren Liedtexten in das Visier der spanischen Justiz gerieten, ist lang: Cesar Strawberry, La Insurgencia, Casandra und auch Valtònyc. Letzterer wurde 2017 zu einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe wegen Verherrlichung von Terrorismus und schwerer Beleidigung der spanischen Krone verurteilt.

Doch der heute 27-jährige Rapper aus Mallorca ging vor Haftantritt ins Exil nach Belgien. Spanien versuchte ihn daraufhin mit einem europaweiten Haftbefehl vergeblich zu fassen. Erst sprachen sich Richter in Gent und später das Gericht der Europäischen Union gegen eine Auslieferung aus, weil die in Spanien geahndeten Delikte in Belgien nicht als eine Straftat gelten.

Öffentlichkeit statt Exil

Hasél hatte die Flucht ins Exil bewusst nicht gewählt. Stattdessen verschanzte er sich am Wochenende in der Universität seiner Heimatstadt Lleida. "Ich bin zusammen mit einigen Unterstützern in der Universität Lleida eingeschlossen", twitterte er aus dem Rektorat der Universität. "Sie müssen also hier einbrechen, falls sie mich verhaften und ins Gefängnis stecken wollen."

Nach der Verhaftung in der Nacht zu Mittwoch gingen in mehreren spanischen Städten die Menschen zu Tausenden mit "Free Pablo"-Transparenten auf die Straße. Nach den Solidaritätskundgebungen kam es am Ende auch zu Zusammenstößen mit der Polizei. In Barcelona brannten einige Mülltonnen.

Zuvor hatten mehr als 200 Künstler eine Petition unterschrieben, in der die Freilassung Haséls und ein Ende der "Verfolgung von Rappern, Twitterern, Journalisten und Vertretern der Kultur" gefordert wird. Mit seiner Inhaftierung würde Spanien sich mit Ländern wie der Türkei oder Marokko "gleichsetzen", in denen auch mehrere Künstler im Gefängnis sitzen, weil sie vom Staat begangenes Unrecht angeprangert haben. "Wir sind uns bewusst, wenn wir Pablo ins Gefängnis gehen lassen, kann morgen jedem von uns dasselbe passieren", heißt es in der Petition.

Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem der Sänger Joan Manuel Serrat, der Regisseur Pedro Almodóvar und Hollywood-Star Javier Bardem. Esteban Beltrán, der Direktor von Amnesty International in Spanien sagte vergangene Woche: "Niemand sollte strafrechtlich verfolgt werden, nur weil er sich in den sozialen Medien ausdrückt oder etwas singt, das unangenehm oder schockierend sein kann."

Quellen: www.elnacional.cat, www.ohchr.org, https://freemuse.orgwww.amnesty.org

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