Spaniens Altkönig fällt in Ungnade

Wegen mutmasslicher Steuerhinterziehung droht Juan Carlos der Auszug aus dem Palast – seine historischen Verdienste geraten dabei in Vergessenheit.

Ute Müller, Madrid
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Der damalige spanische König Juan Carlos zusammen mit König Abdullah von Saudiarabien in Madrid im Juli 2008.

Der damalige spanische König Juan Carlos zusammen mit König Abdullah von Saudiarabien in Madrid im Juli 2008.

Andrea Comas / Reuters

Juan Carlos I war lange Zeit ein sehr populärer König, der gerne Stierkämpfen beiwohnte, edle Restaurants besuchte oder an Segelregatten vor der Küste Mallorcas teilnahm. Die Nähe zum Volk, so schien es stets, war ihm wichtig. Doch immer mehr Spanier wenden sich in diesen Tagen von ihrem früheren Regenten ab, zu skandalös sind die Vorwürfe der Bestechung und Steuerhinterziehung in Millionenhöhe während seiner Amtszeit, die seit Anfang Juli in den spanischen Medien wieder vermehrt die Schlagzeilen dominieren. Jeden Tag kommen neue, pikante Details ans Licht. Seit Sommer 2018 untersucht die Genfer Staatsanwaltschaft, ob die 64,8 Millionen Euro, die Juan Carlos auf einem Konto in der Schweiz deponiert hatte, in Zusammenhang stehen mit einem Milliardenprojekt für den Bau einer 450 Kilometer langen Schnellzugstrecke in Saudiarabien, für das ein spanisches Konsortium 2011 den Zuschlag erhielt. Der Monarch wurde damals dank seinen guten Beziehungen zu dem saudiarabischen Königshaus als Vermittler für den Auftrag gefeiert.

Mittlerweile ist die Antikorruptionsabteilung der spanischen Staatsanwaltschaft an den Ermittlungen beteiligt, die unter anderem auch ans Licht brachten, dass Juan Carlos’ Millionen in der Schweiz 2012 auf die Bahamas auf ein Konto seiner damaligen Geliebten Corinna Larsen überwiesen wurden. Larsen, die bis zu ihrer Scheidung als Prinzessin von Sayn-Wittgenstein firmierte, soll im Dezember 2019 gegenüber der Genfer Justiz erklärt haben, dass sie das Geld von Juan Carlos aus «Dankbarkeit und Liebe» erhalten habe. Den Vorwurf, dass der Transfer der Geldwäscherei dienen sollte, stritt Larsen ab. Die spanische Tageszeitung «El País», die nach eigenen Angaben Zugang zu den Protokollen der Ermittlungen erhalten hat, berichtete vergangene Woche, dass auch aus dem Königreich Bahrain und aus Kuwait Gelder an Juan Carlos und Corinna Larsen geflossen sein sollen.

«König von Arabien»

Angesichts der gewichtigen Transaktionen mit den Golfstaaten muss sich Juan Carlos, der im Mai 2014 zugunsten seines Sohnes Felipe VI abdankte, mittlerweile in den spanischen Medien den Spottnamen «König von Arabien» gefallen lassen. Der staatliche spanische Radiosender Radio Nacional meldete, dass der Regent im Ruhestand bald auch aus dem Königspalast vor den Toren Madrids ausziehen könnte, um der spanischen Monarchie nicht noch mehr zu schaden. Der Zarzuela-Palast, der von einem grossen Waldgebiet umgeben ist, ist seit 1963 Wohnsitz der spanischen Königsfamilie und dient als offizieller Empfangsort für viele Einladungen.

Der Altkönig könnte in einem Gästehaus im Schlosspark untergebracht werden. Damit würde seine Sicherheit weiterhin garantiert, aber auch ein klarer Trennstrich zu Felipe VI gezogen. Sein Sohn hatte sich bereits vor knapp vier Monaten von seinem Vater distanziert, als erste Enthüllungen über die Millionentransfers in der Presse auftauchten. Mitte März brach er in einer Presseerklärung öffentlich mit Juan Carlos. Er entzog dem emeritierten Monarchen die jährliche Apanage von zuletzt 194 000 Euro und verzichtete auf jeglichen Erbanspruch aus der Hinterlassenschaft seines Vaters. Der gemeinsame Wohnsitz wurde aber nicht aufgehoben.

Die Sozialisten wollen keinen Untersuchungsausschuss

Auch Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Pedro Sánchez reagierte überraschend deutlich auf die neuen Informationen über mögliche illegale Aktivitäten des 82-jährigen Altkönigs. Sie seien beunruhigend und verstörend für alle Spanier. Oberstes Ziel sei es jetzt, die Institution Monarchie vor weiterem Schaden zu bewahren. Die Informationen bezögen sich auf Vorkommnisse in der Vergangenheit und nicht auf Felipe VI. Sein Vorgänger nehme mittlerweile nicht mehr an öffentlichen Aktivitäten teil, erläuterte die Vizeregierungschefin Carmen Calvo. Doch an einer umfassenden Aufklärung des Skandals scheint den Sozialisten weniger gelegen. Zweimal bereits blockierten sie zusammen mit der konservativen Volkspartei Partido Popular und der ultrarechten Vox die Einberufung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, um Licht in die Vermögensverhältnisse des früheren Regenten zu bringen. Zur Begründung stützten sich die drei Parteien auf ein Rechtsgutachten, in dem es hiess, die Untersuchungen würden sich auf die Zeit konzentrieren, in der Juan Carlos noch Staatschef gewesen sei und damit Immunität genossen habe.

Ob auch die Staatsanwaltschaft bald die Akte Juan Carlos schliessen könnte, darüber debattieren jetzt die Medien erbittert. Vor dem Gesetz müssten alle Bürger gleich sein, hiess es jüngst in einem Leitartikel von «El País». Doch die Immunität von Juan Carlos während seiner Amtszeit als Staatschef und die eng gesetzten Fristen bei der Verjährung von Steuerdelikten dürften es der spanischen Justiz nicht einfach machen, den mittlerweile auch gesundheitlich angeschlagenen Altkönig vor Gericht zu zitieren. Der Verlust seiner Popularität, der mit Berichten über eine gemeinsame Elefantenjagd mit Corinna Larsen den Anfang nahm, die im Jahr 2012 bekanntwurde, ist jedenfalls nicht mehr aufzuhalten.

Nur Historiker sprechen derzeit noch von Juan Carlos’ entschlossener Reaktion gegen einen versuchten Militärputsch zu Beginn seiner Amtszeit. In der öffentlichen Meinung haben die Skandale der letzten Jahre die tadellose Haltung des Monarchen von damals längst überschattet. Die Linkspartei Podemos, Juniorpartner der Sozialisten in der derzeitigen Regierungskoalition, hat den Sinneswandel der Bürger schon aufgegriffen und will nun ein Referendum über die Monarchie auf den Weg bringen. So weit will Sánchez nicht gehen. Er plädierte jetzt für eine Nachbesserung der spanischen Verfassung, um die Immunität auf die reinen Amtsgeschäfte zu beschränken.