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WhatsApp-Hack Katalanischer Politiker sollte angeblich überwacht werden

Der Präsident des katalanischen Regionalparlaments sollte laut Medienberichten gehackt werden. Es wäre der erste öffentlich bekannte Fall, in dem ein europäischer Politiker mit der Software Pegasus überwacht werden sollte.
Der Präsident des katalanischen Regionalparlaments, Roger Torrent

Der Präsident des katalanischen Regionalparlaments, Roger Torrent

Foto: Albert Gea/ REUTERS

Auf der Website des israelischen Überwachungssoftware-Herstellers NSO heißt es, die Firma entwickle "Technologie, die Regierungsbehörden hilft, Terrorismus und Verbrechen zu verhindern und zu untersuchen". Ist der Präsident des katalanischen Regionalparlaments, Roger Torrent, also ein Terrorist oder ein Verbrecher? Oder warum sonst sollte Torrents Smartphone gehackt und mit der NSO-Software Pegasus infiziert werden?

Den Verdacht jedenfalls, dass dies geschehen sollte, haben WhatsApp und Forscher des kanadischen Citizen Lab, wie der "Guardian"  und "El País" berichten. Pegasus ist in der Lage, ein infiziertes Smartphone praktisch komplett zu überwachen und auszulesen.

Im Mai 2019 hatten die Facebook-Tochter und die kanadischen Sicherheitsexperten eine Schwachstelle in WhatsApp offengelegt, die das Einschleusen von Schadsoftware auf beliebige Smartphones ermöglichte. Ein Anruf, der vom Opfer nicht einmal beantwortet werden musste, genügte.

Angeblich mehr als 100 Betroffene Aktivisten und Journalisten

Einige Monate später verklagte Facebook NSO. Der Vorwurf: Allein innerhalb von zwei Wochen im April und Mai habe der Software-Hersteller die Schwachstelle ausgenutzt, um rund 1400 Geräte anzugreifen - so steht es in der in Kalifornien eingereichten Klage .

Das Citizen Lab gab damals an , mehr als 100 Fälle identifiziert zu haben, in denen Menschenrechtsaktivisten und Journalisten in Afrika, Asien, im Mittleren Osten, in Nordamerika und auch in Europa Ziele solcher Angriffe geworden seien.

Roger Torrent, die ehemalige Politikerin Anna Gabriel sowie der Aktivist Jordi Domingo sind die ersten Namen aus Europa, die nun bekannt wurden. Gemeinsam haben sie ihren Einsatz für die Unabhängigkeit Kataloniens, wobei Domingo glaubt, irrtümlich ins Visier geraten zu sein, da ein Jurist gleichen Namens eine viel bedeutendere Rolle im Unabhängigkeitsbestreben der Region gespielt habe.

Roger Torrent glaubt, der spanische Staat stecke hinter dem Angriff auf ihn. Dem "Guardian" sagte er: "Es erscheint mir falsch, dass Politiker in einem demokratischen Rechtsstaat ausspioniert werden. Es erscheint mir außerdem unmoralisch, viel Steuergeld für eine Software auszugeben, die benutzt werden kann, um politische Dissidenten zu verfolgen."

Diesen Vorwurf macht das Citizen Lab NSO immer wieder: Die israelische Firma verkaufe ihre Software an Behörden, die damit widerrechtlich Journalisten und Regimegegner ausspähe. Zuletzt hatte Amnesty International nach eigenen Angaben in einer IT-forensischen Untersuchung Hinweise auf Pegasus auf dem Smartphone des marokkanischen Journalisten Omar Radi entdeckt.

Die Beweislage im Fall Torrent und der beiden anderen Spanier ist jedoch zumindest öffentlich nicht gerade eindeutig. John Scott-Railton vom Citizen Lab sagte dem "Guardian": "Angesichts der Art des Angriffs und der limitierten Nutzerdaten, die WhatsApp erhebt, können wir bestätigen, dass das Telefon (von Torrent - Anm. d. Red.) ein Ziel war. Allerdings sind weitere Untersuchungen nötig, um zu bestätigen, dass es letztlich auch gehackt wurde. Zu diesem Zeitpunkt haben wir keinen Grund zu glauben, dass es das nicht wurde."

In der Klageschrift von Facebook wird zumindest angedeutet, dass die WhatsApp-Konten, Telefonnummern und Server, über die Pegasus an die Opfer verteilt werden sollte, dem Unternehmen zumindest teilweise bekannt sind.

Ein ehemaliger NSO-Mitarbeiter hat "Vice" gesagt , Spanien sei seit 2015 ein Kunde der Israelis, auf den man auch stolz sei: "Endlich ein europäischer Staat", so wird er zitiert. Und ein namentlich nicht genannter Facebook-Mitarbeiter bestätigte, dass Torrent ein Ziel von NSO war.

NSO nennt die Citizen-Lab-Aussagen "spekulativ"

Die spanische Regierung hat der Zeitung ein Dementi gegeben, das eigentlich keines ist: Nach eigenen Angaben hat die Regierung demnach "keine Beweise", dass Torrent, Gabriel und Domingo gehackt werden sollten. "Desweiteren müssen wir festhalten, dass jede Operation, in der es um Mobiltelefone geht, stets mit der maßgeblichen richterlichen Autorisierung durchgeführt wird."

NSO selbst teilte derweil mit, es könne aufgrund von Verschwiegenheitsverpflichtungen nicht bestätigen oder abstreiten, welche Behörden seine Technologie benutzen. Die Aussagen der Citizen-Lab-Forscher nannte NSO "wieder einmal spekulativ". Man sei aber dankbar, auf das Thema aufmerksam gemacht worden zu sein. Falls gewünscht, werde man eine Untersuchung einleiten.

Die könnte theoretisch schnell zu Ergebnissen führen. Der "Zeit" hatte NSO-Chef Hulio kürzlich gesagt , seine Firma verkaufe Pegasus nur, wenn die Kunden zustimmten, dass NSO den Einsatz aufgrund von Serverlogs nachvollziehen oder sogar beenden könne: "Wir können einen Befehl abschicken, damit das Programm seine Arbeit einstellt und sich nicht mehr auf neuen Mobiltelefonen installieren lässt."

Hinweis: Dieser Artikel wurde am 15.07. aktualisiert.

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