Zum Inhalt springen

Ex-König im Exil "Juan Carlos I. hat die spanische Monarchie beschmutzt"

Auszug aus dem Vaterland: Der emeritierte König Juan Carlos verabschiedet sich aus Spanien. Ein drastischer und wichtiger Schritt, sagt der Politologe Fernando Vallespín - und erklärt, warum es nun auf den Sohn ankommt.
Ein Interview von Helene Zuber
König Juan Carlos I.: Regierte fast 40 Jahre Spanien

König Juan Carlos I.: Regierte fast 40 Jahre Spanien

Foto:

Daniel Ochoa de Olza/ AP

SPIEGEL: Was bedeutet es für die Spanier, dass König Juan Carlos I., der fast 40 Jahre lang das Land regiert hat, ins Exil gehen musste?

Vallespín: Der Abschied aus Spanien hat eine Vorgeschichte. In dem Moment, als die Medien 2012 über die Beziehung zur deutschen Geschäftsfrau Corinna Larsen, angeheiratete zu Sayn-Wittgenstein, berichteten, ging es nicht darum, dass der König eine Geliebte hatte. Entscheidend war, dass er mit ihr auf Elefantenjagd in Botswana gegangen war, als sein Land tief in einer Wirtschaftskrise steckte. Das führte schließlich zwei Jahre später zu seiner Abdankung. Und jetzt kommt eine Reihe Geldgeschäfte aus derselben Zeit ans Licht. Jeden Tag gibt es neue Details in der Presse beispielsweise über Geldgeschenke, die er angeblich vom saudischen König für die Vermittlung des spanischen Hochgeschwindigkeitszuges AVE erhalten haben soll. Dazu Konten in der Schweiz und in Panama. Da half der Schutz, den die Verfassung dem König bietet, nicht mehr. Es musste ein Schutzwall aufgezogen werden, damit sein Sohn und Nachfolger, Felipe VI., keinen Schaden nimmt. Das war jetzt ziemlich drastisch: der Auszug aus dem Vaterland.

SPIEGEL: Wird das reichen? Wird König Felipe VI. jetzt in Ruhe weiterregieren können?

Vallespín: Das wird nicht so einfach sein. Aber das hat nicht allein etwas mit dem möglichen Fehlverhalten seines Vaters zu tun. Da spielt die aktuelle politische Lage Spaniens eine große Rolle. Die Veränderung hat mit der vorigen Wirtschaftskrise ab 2008 begonnen. Gegenwärtig gehören etwa 70 der 350 Abgeordneten im spanischen Parlament dem Lager an, das eine Republik statt der Monarchie befürwortet. Eine explizit republikanische Partei, Podemos, sitzt in der Koalitionsregierung mit den Sozialisten. König Felipe VI. hat nicht nur ein Problem in seiner Familie, er muss mit einer feindlichen politischen Stimmung fertigwerden. Denn wenn es eine parlamentarische Mehrheit gäbe, könnte die spanische Verfassung geändert und eine neue Staatsform beschlossen werden. Zwar fehlt heute noch sehr viel zu einer republikanischen Mehrheit, aber auf der anderen Seite genießt König Felipe VI. auch nicht die einhellige Unterstützung der politischen Parteien, die sein Vater nach dem Tod des Diktators Franco hatte.

SPIEGEL: Wie steht es denn um die Beliebtheit der Monarchie?

Vallespín: Noch ist eine klare Mehrheit dafür. Aber junge Spanier verstehen den Nutzen der Monarchie nicht mehr und lehnen sie eher ab. Meine Generation dagegen, die den Übergang von der Diktatur zur Demokratie durchlebt hat, weiß genau, welche wichtige Rolle Juan Carlos I. dabei gespielt hat.

SPIEGEL: Diktator Francisco Franco hatte ihn zu seinem Nachfolger bestimmt, aber den König als absoluten Herrscher vorgesehen.

Vallespín: Durch den Verzicht auf diese Macht hat Juan Carlos I. erst ermöglicht, dass Spanien eine Demokratie wurde. Und die hat er dann beim Putschversuch 1981 verteidigt gegen aufständische Militärs. In den frühen Dreißigerjahren gab es den Gegensatz zwischen einer absolutistischen Monarchie als autoritäres Regime und der Republik. Aber König Juan Carlos I. hatte bei Francos Tod 1975 verstanden, dass die spanische Monarchie nur überleben kann in Europa, wenn sie zu einer vorbildlichen Demokratie wird. Deshalb sieht die Verfassung vor, dass der König allein nicht politisch handeln kann, immer ist ein Mitglied der Regierung beteiligt, das die Verantwortung übernehmen muss. Ein französischer oder italienischer Präsident beispielsweise hat viel mehr Gewicht als der spanische König.

SPIEGEL: Hat Juan Carlos seinen Ruf als Retter der Demokratie selbst zerstört? Hat er die Glaubwürdigkeit seiner historischen Rolle verspielt?

Vallespín: Es gibt wohl kaum Spanier, die seine Verdienste für den Übergang zur Demokratie anzweifeln. Er hat die Krone, die keinesfalls sehr populär war, fest verankert. Deshalb hat man oft gesagt, die Spanier seien Juancarlisten, keine Monarchisten. Derjenige, der die Monarchie am stärksten legitimiert hat in der Geschichte, hat sie jetzt beschmutzt.

SPIEGEL: Der frühere sozialistische Regierungschef Felipe González, der zwischen 1982 und 1996 eng mit dem König zusammengearbeitet hat, verteidigt Juan Carlos. Er müsse auch die Unschuldsvermutung genießen, man dürfe unseriösen Quellen wie einem kriminellen Polizisten und einer Socialite, einer Persönlichkeit der Glamourwelt, nicht alles glauben. Hat er recht?

Vallespín: Im Fall eines Königs, der von der Verfassung her Immunität genießt, kann die Unschuldsvermutung nicht im konventionellen Sinn gelten. Es steht auch zur Debatte, ob die Immunität über die Zeit seiner Regentschaft anhält. Und die Gesten des Königshauses zeigen ja auch implizit, dass Juan Carlos eine gewisse ethisch-politische Verantwortung übernimmt. Wenn sein Verhalten tadellos gewesen wäre, warum hätte er dann abdanken sollen? Und als Felipe VI. im vergangenen Jahr auf sein in der Schweiz deponiertes Erbe verzichtete, erkannte er damit die Existenz einer dubiosen Stiftung zur Verwaltung dunkler Geldgewinne an. Im Frühling hat er dann seinem Vater die Apanage gestrichen. Und jetzt muss der den Zarzuela-Palast verlassen. Allein die Tatsache, dass Juan Carlos mit dubiosen Personen wie Corinna Larsen in Beziehung stand, spricht gegen ihn. In der Presse wurde das als Ansteckung mit dem "Corinna-Virus" bezeichnet.

SPIEGEL: Jetzt ermittelt auch die spanische Justiz gegen den emeritierten König wegen des Verdachts auf Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Ist es vorstellbar, dass Juan Carlos verurteilt wird?

Vallespín: Persönlich finde ich die Ermittlungen wichtig für die Demokratie und auch für die Monarchie. Aber juristisch führt das nicht weit. Die Verfassungsrechtler sind sich nicht einig, ob die Immunität eines Königs nicht auf Lebenszeit anhält. Und darüber hinaus sind die meisten Vorwürfe wohl längst verjährt.

SPIEGEL: Der junge König hat bei der Thronbesteigung 2014 beispielhaftes Verhalten versprochen. Hat die Monarchie Zukunft in Spanien?

Vallespín: Das wird sehr davon abhängen, wie sich Felipe VI. verhält. Er hat die Lektion gelernt, er hat das Handeln des Königshauses transparenter gemacht. Und er führt auch eine ganz andere Ehe als sein Vater. Juan Carlos hatte eine Königstochter zur Frau genommen für eine Zweckehe, da galten Affären als natürlich. Das wäre undenkbar für Felipe, der eine Frau aus der spanischen Mittelschicht geheiratet hat. Und Juan Carlos machte sich eine Art Selbstzensur der Presse zunutze: Nach den Jahrzehnten der Diktatur wollte man die Krone erhalten. Man schrieb nichts Schlechtes. Heute muss sich die Monarchie der Kritik stellen wie jede andere öffentliche Einrichtung. Obwohl das Verhalten von Juan Carlos I. in den letzten Jahren dem Ansehen der Monarchie sehr geschadet hat, halte ich die Zukunft des Königshauses für gesichert, weil eine große Mehrheit der Abgeordneten an der Verfassung von 1978 festhalten möchte.

Felipe VI.

Felipe VI.

Foto: Carlos Alvarez/ Getty Images

SPIEGEL: Der König ist nach der Verfassung Symbol der nationalen Einheit Spaniens. Nun ist die aktuelle Regierung auf die Unterstützung von Separatisten und linken Gegnern der Monarchie angewiesen. Erschwert das den Job von Felipe VI.?

Vallespín: Viele dieser Politiker sind in erster Linie gegen das Modell, das wir Spanier uns mit der demokratischen Verfassung von 1978 gegeben haben. Entweder weil sie über die Unabhängigkeit abstimmen wollen, wie einige Katalanen und Basken. Oder weil sie eine Art Volksrepublik schaffen wollen, wie Podemos. Die Sozialisten aber wollten nie den König abschaffen. Ministerpräsident Pedro Sánchez weiß genau, dass solch ein Plan ihn sehr viele Wählerstimmen kosten würde. Deshalb ist es gut möglich, dass die Regierung Juan Carlos ins Exil gedrängt hat. Wie tief der Schaden geht, hängt sehr von König Felipe VI. ab.