In Madrid und Barcelona wird gefeiert – aber zu unterschiedlichen Bedingungen

Während die konservative Regierung in Madrid die Hauptstadt als Oase der Freiheit feiert, ist die Polizei im Dauereinsatz, um illegale Partys aufzulösen. Derweil findet in Barcelona erstmals seit Pandemiebeginn ein Grosskonzert mit 5000 Besuchern statt.

Ute Müller, Madrid
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Rund 5000 Menschen absolvierten in Barcelona einen Schnelltest, um mal wieder gemeinsam an einem Konzert zu tanzen. Ein Experiment, von dem man in zwei Wochen weiss, ob es geglückt ist.

Rund 5000 Menschen absolvierten in Barcelona einen Schnelltest, um mal wieder gemeinsam an einem Konzert zu tanzen. Ein Experiment, von dem man in zwei Wochen weiss, ob es geglückt ist.

Emilio Morenatti / AP

In Madrid beginnt die Fiesta nach der Sperrstunde erst richtig. Um 23 Uhr schliessen die Lokale. Dann strömen Einheimische wie Touristen auf die Strasse, um zu sehen, wo in Flüsterkneipen, also illegalen Bars, oder in privaten Wohnungen das Feiern weitergeht. Die lärmgeplagten Anwohner im Zentrum können ein Lied davon singen. Nacht für Nacht wird die Polizei alarmiert und im Schnitt 300 illegale Feiern aufgelöst – doch viele gehen auch ungestört weiter.

Längst hat sich in Europa herumgesprochen, dass man in Madrid der Corona-Pandemie trotzen und bis in die Morgenstunden fröhlich feiern kann. Während sich Deutsche nach Mallorca schicken lassen, wo die Restaurants und Bars um 18 Uhr schliessen, zieht es vor allem feierlustige junge Franzosen und Italiener in die spanische Hauptstadt.

Viele kommen mit dem Auto, einige mit dem Flugzeug, oft ohne Rückflugticket. «Wir sind nicht hierhergekommen, um Museen zu besuchen», sagt ein junger Franzose, während er einem spanischen Fernsehreporter zuprostet. «Rund fünfzehn Franzosen sitzen gerade in der Bar hier unten, ohne Masken», klagt ein Anwohner der Madrider Plaza Dos de Mayo im Herzen der spanischen Hauptstadt. Spaniens Medien rügen, dass sich hier ein neuer Sauftourismus etabliert habe, obwohl Madrid längst die spanische Region mit der höchsten Inzidenz an Covid-19-Neuinfektionen ist. So liegt die 7-Tage-Inzidenz in der Hauptstadt mittlerweile bei 115 Fällen pro 100 000 Einwohnern, das ist fast doppelt so hoch wie der Landesdurchschnitt von 67.

Madrid gibt sich weltoffen und tolerant

Doch die konservative Madrider Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso sieht für sich keinen Handlungsbedarf. Ein Franzose sei ihres Wissens nicht ansteckender als ein Bewohner der Hauptstadt, verteidigt sich die Politikerin. Auf ihrem Twitter-Konto propagiert sie das Bild einer weltoffenen, toleranten und vergleichsweise entspannten Metropole. «Madrid ist Freiheit», ist ihr Motto. Sie hat für den 4. Mai Neuwahlen im Regionalparlament einberufen und will ihre Favoritenrolle nicht durch unpopuläre Einschränkungen gefährden.

«Wer glaubt, dass wir in der Regionalregierung jetzt alle Restaurants und Geschäfte schliessen lassen und unsere Bürger in den Ruin treiben, der täuscht sich», befand Ayuso an diesem Montag trotzig. Wenn nach der Sperrstunde weiter gefeiert werde, müsse die Polizei eben härter durchgreifen. Beifall erntet sie bei den Madrider Gastro- und Hotelverbänden. Noch immer warten diese auf die Direkthilfen der Zentralregierung wegen ihrer Verdienstausfälle während der Pandemie.

Von den Oppositionsbänken hagelt es derweil Kritik für Diaz Ayuso. «Im Ausland werden Flüge gechartert, um Touristen hierherzubringen, weil sie gehört haben, dass hier keine Regeln gelten», kritisierte die Mónica García von der Partei Más Madrid. In den Streit mit Ayuso hat sich nun auch Spaniens Gesundheitsministerin Carolina Darias eingeschaltet. Die Bilder von Madrid schadeten dem Ruf von Spanien, so die Ministerin, die die Bürgerinnen aufforderte, die geltenden Vorschriften zu beachten, um eine vierte Welle abzuwenden. Bis zum 12. April dürfen die Spanierinnen ihre Region nicht ohne triftigen Grund verlassen.

In der Tat lassen sich die Bilder von Madrid nicht auf das ganze Land übertragen. In den meisten anderen Regionen wie etwa Andalusien oder Katalonien herrschen bei Bars und Restaurants restriktivere Zeiten. In Barcelona beispielsweise kann man sich nur bis 17 Uhr in Restaurants und Bars aufhalten. Doch die findigen Katalanen suchen nach alternativen Wegen, um die jungen Leute nicht völlig einzusperren.

So fand am Wochenende das erste Grosskonzert in Spanien seit Beginn der Pandemie statt. 5000 Menschen wohnten in der Arena Palau de Sant Jordí dem Auftritt der Indie-Rock-Gruppe Love of Lesbian bei. Die Fans mussten vor dem Konzertbesuch einen Covid-19-Schnelltest machen und während der Vorstellung eine FFP2-Maske tragen. Eine ausgeklügelte Lüftungstechnik sollte Ansteckungen verhindern.

Tanzen mit Sicherheitsabstand. Dies nach mehr als einem Jahr Corona-Pandemie.

Tanzen mit Sicherheitsabstand. Dies nach mehr als einem Jahr Corona-Pandemie.

Alejandro Garcia / EPA

Zur Belohnung konnte man ohne Sicherheitsabstand tanzen. Zwei Wochen lang werden die Besucher des Konzerts nun per Tests kontrolliert. Dann wird man sehen, ob das Experiment gelungen ist. Das könnte für die Branche ein Licht am Ende des Tunnels sein. Gleichwohl ist die Pandemie in Spanien nicht unter Kontrolle. Landesweit ist die Inzidenz hoch, auch die Impfkampagne verläuft schleppend. Das derzeitige Tempo müsste verdreifacht werden, um das Ziel zu erreichen, bis zum Sommer 70 Prozent der Bevölkerung geimpft zu haben.